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§ 96 raus aus dem Strafgesetzbuch!
Geregelt ist der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch. Laut Paragraf 96 ist Abtreibung zwar mit Freiheits- oder Geldstrafen bedroht – Paragraf 97 legt allerdings Ausnahmen fest. Anlässlich des 50. Jahrestags fand vor dem Parlament eine Kundgebung mehrerer Frauenorganisationen, u.a. der SPÖ-Frauen, FrauenVolksbegehren und #AusPrinzip statt. Mirijam Hall ist Assistenzärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Klinik Ottakring in Wien und Mitinitiatorin von #AusPrinzip. Wir veröffentlichen hier ihre am 29. November vor dem Parlament gehaltene Rede.
Mein Name ist Mirijam Hall, ich bin Assistenzärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Mitinitiatorin von #ausPrinzip und führe selbst Abtreibungen durch. Ich möchte Ihnen kurz erklären, warum ich aus ärztlicher Sicht finde, dass der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch nichts zu suchen hat und wir eine flächendeckende und kostenlose Versorgung brauchen.
In Österreich muss eine Frau im Jahr 2023 immer noch froh sein, wenn sie einen Termin bekommt um einen Abbruch durchführen zu lassen. Vielerorts heißt das weit reisen zu müssen, fast immer heißt das tief in die Tasche greifen zu müssen.
Denn wenn wir uns jetzt einmal wirklich ehrlich in den Spiegel schauen müssen wir feststellen, die Versorgungslage in Österreich ist immer noch prekär. Im Burgenland gibt es keine öffentliche Stelle, die den Abbruch anbietet, in ganz Westösterreich hängt die Versorgung an einzelnen Köpfen, in Salzburg müssen immer noch Wiener Ärzt*innen anreisen um die Abbrüche im Salzburger Landeskrankenhaus durchzuführen, weil sich sonst niemand findet.
Aber warum ist das so? Weil die derzeitige gesetzliche Lage den Schwangerschaftsabbruch als Straftat bewertet, es Ärzt*innen freistellt ob sie den Eingriff durchführen, bzw. die Medikamente innerhalb der ersten drei Monate abgeben wollen oder die Frau gezwungen ist die Schwangerschaft auszutragen. 6 von 10 ungeplanten Schwangerschaften enden in einem Abbruch. Einen der häufigsten Eingriffe in unserem Fach müssen wir also nicht durchführen. Ich frage mich in welchem anderen Fachgebiet es das gibt, das ist so als würde ein Facharzt für Dermatologe und Geschlechtskrankheiten alles behandeln, nur Syphilis nicht, weil es schließlich ungehörig ist Sex zu haben.
Darüber hinaus ist das Problem aber vielmehr dass durch die derzeitige gesetzliche Lage der Druck auf Ärzt*innen ja keine Abbrüche anzubieten legitimiert wird. Man braucht nur schauen, was gerade in Vorarlberg los war, wo Plastikembryonen per Post an unzählige Leute verschickt wurden. Weil es in Österreich nach wie vor eine gesellschaftlich akzeptierte Meinung ist, dass Frauen durch eine Schwangerschaft gezwungen werden dürfen. Mit all den Konsequenzen. Körperliche wie psychische.
Einigen in unserem Land ist auch diese schlechte Versorgungslage noch zu viel, sie wünschen sich zurück in die Zeit vor 1973. Wie schnell das manchmal gehen kann, sehen wir mit Schrecken in den USA und Polen, wo Frauen verfolgt werden, die sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden, Ärzt*innen der Zugang zu Mifegyne verwehrt wird, Frauen mittlerweile wieder sterben.
Mit restriktiven Zugängen oder dem Schoten Abschaffen von Möglichkeiten verschwinden Abtreibungen nicht. Sie werden nur unsicher und damit gesundheitsgefährdend für Frauen. Geschätzt sterben weltweit jedes Jahr 30.000 Frauen an den Folgen einer unsicheren Abtreibung, das sind mehr als 10% aller Fälle von Müttersterblichkeit. Verkürzt lässt sich sagen, so drastisch es ist: Wer sichere Abbrüche verhindert an dessen Händen klebt das Blut von Frauen.
Ein Abbruch ist ein einfacher medizinischer Eingriff, der in vielen Fällen durch die simple Einnahme von Tabletten sicher durchgeführt werden kann. Auch eine Cürettage ist in fünf Minuten erledigt, lernt man im ersten Ausbildungsjahr. Medizinisch ist es also nicht kompliziert.
Es braucht Versorgungssicherheit für Frauen in ganz Österreich. Es braucht Selbstbestimmung. Wie das geht, zeigen unzählige andere Länder seit Jahren, braucht man z.B. nur nach Frankreich schauen.
Es darf nicht länger eine Frage des Einkommens, meiner Postleitzahl oder des Good Wills der Ärzteschaft in meiner Umgebung sein, ob ich einen Abbruch vornehmen lassen kann.
50 Jahre nach der Fristenlösung ist es an der Zeit: der Schwangerschaftsabbruch muss raus aus dem Strafgesetzbuch. Aus Prinzip!