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Großer Erfolg für das Prammer-Symposium
„Es ist ein Tag des Nachdenkens über Barbara Prammer, eingebettet in eine politisch aktuelle Situation und eingebettet in eine Zukunftsvision. „Wir als Sozialdemokratie haben es immer so verstanden, dass der Kampf um Frauenrechte ein Kampf um demokratische Rechte ist. Das ist das, was Barbara Prammer uns mitgegeben hat: Es gibt keinen isolierten Kampf um Frauenrechte, sondern es geht darum, Demokratie so zu begreifen. Es gibt keine Demokratie, mit der wir zufrieden sein können, wenn Frauenrechte nicht gewährt, ausgebaut und gesichert werden“, so SPÖ-Bundespartei- und -Klubvorsitzender Andreas Babler.
In einem Eröffnungstalk tauschten sich SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und stv. Klubvorsitzende Eva-Maria Holzleitner, die Präsidentin des Karl-Renner-Instituts Doris Bures sowie László Andor, Generalsekretär der FEPS zu Feminismus und Demokratie aus.
Video: Eindrücke und Interviews
Eva-Maria Holzleitner sprach vom Jahr der Demokratie 2024, weil in diesem Jahr global so viele Menschen wählen wie noch nie zuvor: „Für Frauen ist dieses Jahr extrem wichtig, weil es um richtungsweisende Entscheidungen geht: Wie soll Politik für Frauen gestaltet werden? Schaffen wir den Sprung nach vorne in eine progressive Zukunft? Oder müssen wir weiterhin die Errungenschaften von Frauen wie Barbara Prammer verteidigen?“ Gerade aktuelle europäische Entwicklungen zeigen, wie real die Gefahr von frauenpolitischen Rückschritten und Einschnitten ist. Holzleitner nannte beispielhaft Ungarn mit seiner rückschrittlichen Familienpolitik oder Polen, wo Schwangerschaftsabbrüche de facto verboten wurden. Die Schlussfolgerung sei klar, hielt die stv. Klubvorsitzende fest: „Das Jahr der Demokratie muss im Sinne der Frauen gestaltet werden.“ Gerade auch in krisenhaften Zeiten sei die Rolle von Frauen zentral: „Wir müssen sicherstellen, dass Frauen immer gleichberechtigt am Verhandlungstisch sitzen“, so Holzleitner.
Die Zweite Nationalratspräsidentin und Präsidentin des Karl-Renner-Instituts Doris Bures beantwortete die Frage, was eine Demokratie ohne Feminismus bedeute, in aller Deutlichkeit: „Es gibt keine Demokratie ohne Feminismus.“ In einer Welt, in der jede:r vierte Weltbürger:in in einer Diktatur lebt, sei die Wehrhaftigkeit in der Verteidigung liberaler Demokratien unablässig. Feministische Ziele könnten nur gemeinsam erreicht werden: „Es braucht Kampf, Leidenschaft und Begeisterung. Wir müssen wehrhaft sein, wenn Einschnitte in Frauenrechte drohen.“ Es sei daher kein Zufall, sondern sehr passend, dass zu Ehren Barbara Prammers nicht Blumen überreicht, sondern ein politisches Format veranstaltet würde.
László Andor, Generalsekretär der FEPS, betonte abschließend ebenfalls die Bedeutung des Jahres 2024 im europäischen Kontext. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass Fortschritte im Bereich Geschlechtergerechtigkeit auf EU-Ebene durchaus möglich seien, wenn progressive Mehrheiten gewählt würden.
Die Keynotes hielten die Historikerin Linda Erker und die Politikwisschafterin Ayşe Dursun.
Die Bedeutung von Frauenpolitik für die Demokratie betonten Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl und der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Evelyn Regner in ihren Redebeiträgen.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation der SPÖ-Frauen, des SPÖ-Parlamentsklubs, des Renner-Instituts und der Foundation for European Progressive Studies (FEPS).
Der fürsorgliche Wohlfahrtsstaat
Die Politikwissenschafterin Ayşe Dursun plädierte in ihrer Keynote für eine feministische Demokratie, die eine fürsorgliche Praxis pflegt, und für Frauensolidarität als einen möglichen Weg dorthin. Sie untermauerte ihre These mit aktuellen Zahlen aus dem Pflegebereich: 92% der 24-Stunden-Betreuer:innen sind weiblich und 98% der Pflegerinnen kommen aus Ost- und Mitteleuropa.
„Das Patriarchat überlässt die härteste Arbeit den Prekärsten von uns.“
Ayşe Dursun, Politikwissenschafterin Universität Wien
Zur Care-Arbeit gehört auch die Kinderbetreuung. Der Ausbau der Kindergärten und deren öffentliche Finanzierung (70% der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen) geht auf eine kollektive Kraftanstrengung der Frauen in den letzten 100, aber vor allem den letzten 50 Jahren zurück und ist ein Mosaikstein zur Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen.
„Muttergehalt“ und das Private
Das Gegenteil verfolgen rechtskonservative Gruppierungen, so Dursun. Derzeit werde erneut ein „Muttergehalt“ gefordert und dessen Bezug an die Staatsbürgerschaft geknüpft. Das vermittelte Familienbild (Vater – Mutter – Kind/er) entspreche nicht der Realität, lasse Frauen im Privaten verschwinden und erhöhe das Risiko der Altersarmut für Frauen.
Geschichte verstehen lernen
Dieses Ausverhandeln lässt sich im Bildungsbereich besonders gut beobachten. Historisch gesehen dauerte es bis ins 19. Jahrhundert, bis Universitäten überhaupt für Frauen zugänglich wurden. Die Historikerin Linda Erker zeichnete in ihrer Keynote die Lebenswege von Marie Jahoda, Herta Firnberg und Berta Kalig nach, die dokumentierten, wie wichtig ein langer Atem, kontinuierliches Kämpfen und Engagement sind. Und sie zeigen bei aller Unterschiedlichkeit eine Gemeinsamkeit: Sie alle hatten mit Antifeministen und antifeministischen Anfeindungen zu kämpfen. Den Kampfgeist des letzten Jahrhunderts fasste Erker in einem Zitat zusammen, das auch die Worte der Autorin Jenny Grünblatt aus der Zeitschrift „Das Recht der Frau“, 1896, wiedergibt:
„Die Frage, ob wir die Emanzipation verdienen, erörtere ich nicht, sie ist für die Überzahl der fortschrittsfreundlichen Männer und Frauen erledigt. Alle Emanzipationsdebatten gipfeln in der Klage darüber, dass wir nicht gleichberechtigt sind und in diesem Streite, ob wir befugt sind, ein gleiches Recht zu verlangen, schaden wir uns. Für das klare Recht brauchen wir nicht erst Gründe herbeizuführen, nein, sonst wird das Recht zur Streitfrage. Eine Haupttugend der Frau, die Bescheidenheit, ist die Achillesferse der Frauenfrage. Wir aber dürfen nicht klagen, wir dürfen nicht herumstreiten, wir müssen verlangen – und was man uns nicht gibt, Schritt für Schritt, aber unaufhaltsam, erobern.“
Zum Nachschauen: Die gesamte Übertragung